Sie sind hier: Startseite > Die Geschichte des Mülsengrundes > Vom Charakter des Mülsengrundbewohners

Vom Charakter des Mülsengrundbewohners

Etwas Eigenes ist es um den Charakter des Mülsengrundlers. Entsprechend der Tatsache, daß dessen Vorfahren in den verschiedenen Gegenden ... saßen, also diese und jene Eigenschaften mitbrachten, die sich dann mischten, lassen schwer unantastbare Sätze aufstellen. Doch einiges, dass eine gewisse Allgemeingültigkeit besitzt, sei mitgeteilt.

Der Bewohner des Mülsengrundes ist ein wenig misstrauisch, vor allem Fremden gegenüber. Ist das Eis geschmolzen, dann wird er redseliger, ohne allerdings in Bezug auf Offenheit zu weit zu gehen. Sein Temperament ist nicht als lebhaft zu bezeichnen. An etwas Neues geht er schwer heran. Er ähnelt in dieser Beziehung wohl ein wenig dem Erzgebirgler. Für einen gesunden Humor hat er Sinn. Mit Spitznamen geht man sehr freigebig um. Bereits unter den Kindern gibt es viele, die mit einem solchen behaftet sind. Bei der Erfindung tritt eine bewundernswürdige Beobachtungsgabe zutage. Das Unterhaltungsbedürfnis ist ausgeprägt. Man geht gern einmal zu Nachbarn, zu Freunden und Verwandten, um sich mit ihnen, auch über weniger wichtige Dinge, zu besprechen, um zu "diskutieren".

Theater oder Kino besucht der Grundbewohner gern und ist dabei in Bezug auf das Dargebotene nicht wählerisch. Eine gewisse Nüchternheit ist ihm nicht abzusprechen. Er weiß das Materielle wohl zu schätzen und hat für den Idealisten oft genug nur ein Lächeln übrig, obwohl es auch wieder welche gibt, die mystischen Dingen gegenüber ein großes Entgegenkommen zeigen und dem Aberglauben verfallen.

Was das religiöse anbelangt, ist ein Unterschied zwischen oberen und unteren Grunde zu machen: Während der untere Grund fast nur kirchentreue und freidenkende Menschen kennt (darüber hinaus auch zahlreiche Angehörige der Landeskirchlichen Gemeinschaft), treten im oberen Grunde noch viele Sekten hinzu, die namentlich in Mülsen St. Niclas stark vertreten sind - In Bezug auf die Freizeitgestaltung ist beobachtet worden, dass man sich je weiter nach dem oberen Ende des Grundes zu, desto mehr mit der Schnitzerei befasst. Groß ist die Zahl der "Weihnachtspermetten" und der "-berge" in Niclas, während man nach Schlunzig zu kaum etwas davon weiß oder wenigstens keine praktische Arbeit in dieser Beziehung leistet. Gewiss hängt das auch mit der Beschäftigung zusammen. Der Bauer ist selten ein Bastler, wohl aber der Bergmann (und Weber).